Dem Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative fehlt es an Umsetzungsgarantien und richtigen Instrumenten
Der Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative wird bald im Zentrum der parlamentarischen Beratungen stehen. Der Entwurf ist nach Ansicht der Natur-, Landschafts- und Heimatschutzverbände noch weit davon entfernt, ambitioniert zu sein (unsere Reaktion auf den Gegenvorschlag). Raimund Rodewald, Mitglied des Komitees der Landschaftsinitiative und Direktor der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, erklärt im Interview, wo die aktuelle Fassung Mängel aufweist und welche Risiken für eine qualitative Landschaftsentwicklung bestehen.
Raimund Rodewald, Geschäftsleiter Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und Mitglied des Initiativkomitees der Landschaftsinitiative
Von aussen betrachtet ist der parlamentarische Prozess der Landschaftsinitiative manchmal schwer zu verstehen. Bevor wir über den Gegenvorschlag zur Initiative sprechen, skizzieren Sie kurz die nächsten Schritte des Prozesses?
Raimund Rodewald: Um die kommenden Schritte zu erläutern, muss ich kurz zurückblicken. Die vorberatende Kommission des Ständerates (UREK-S) entschied kurz nach Einreichung der Landschaftsinitiative im September 2020 Eintreten auf die zuvor vom Nationalrat noch abgelehnte Vorlage des Bundesrates zur Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG2). Im Bereich des Bauens ausserhalb der Bauzone nahm die Kommission daraufhin Anliegen der Initiative auf und brachte gewichtige Änderungen an der bisherigen Vorlage des Bundesrates ein.
Diese Vorlage ging Ende April 2021 in die Vernehmlassung. Die UREK-S wird sodann ihre Vorlage dem Plenum des Ständerates vorlegen. Der Bundesrat hat sich bereits grundsätzlich für diesen indirekten Gegenvorschlag ausgesprochen und gleichzeitig die Landschaftsinitiative abgelehnt.
Wie beurteilen Sie die Vorschläge des Entwurfs?
Die vom Bundesrat unterstützte Vorlage ist aus unserer Sicht ungenügend und teilweise kontraproduktiv. Es ist erfreulich, dass die Stabilisierung der Bauten und der Bodenversiegelung aufgenommen wurde. Doch fehlt es an einer griffigen Umsetzung und den richtigen Instrumenten. Mit der Einführung einer Abbruchprämie wurde zwar ein wichtiges Instrument zur Umsetzung eingeführt, doch fehlt ein Richtplanauftrag an die Kantone. Bis zu 16 Jahren können sie sich Zeit nehmen, um die Stabilisierung der Gebäude und der nicht-landwirtschaftlichen Bodenversiegelung zu erreichen. Diese Umsetzungsdauer ist zu lang. So wird das Stabilisierungsziel quasi unerreichbar.
Problematisch finden wir auch, dass an der “Kantonalisierung” der Bestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzone festgehalten wird. Die Vorlage ist daher als Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative ungenügend.
Was wären die Folgen dieses Gegenentwurfs?
Die vorgeschlagene “Kantonalisierung” würde zu 26 verschiedenen Regelwerken führen, was ausserhalb der Bauzone gebaut werden darf und was nicht. Solche Mehrnutzungen gegenüber dem bundesrechtlichen Rahmen sollen zwar gemäss der Kommissionsvorlage irgendwie kompensiert werden, doch droht die Gefahr einer neuerlichen Zersiedlung, da zum Beispiel auch touristische Neubauten an bislang unverbauten Lagen möglich würden.
Ist ein Kompromiss im Parlament überhaupt noch möglich?
Ja, es muss aber die Einsicht im Parlament wachsen, dass wir aufgrund der bereits heute zunehmenden Verbauung der Landschaft nicht noch mehr Baufreiheiten brauchen, sondern eine klare Begrenzung. Ohne griffigen Gegenvorschlag wird die Landschaftsinitiative zur Abstimmung kommen.