Indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative: Stellungnahme des Trägervereins «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur»
Das sagt die Landschaftsinitiative zum aktuellen Gesetzesentwurf
Am 15. Juni diskutiert der Nationalrat über die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG2), die als Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative gelten soll. Die aktuelle Vorlage geht grundsätzlich in die richtige Richtung, um den Bauboom ausserhalb der Bauzone einzudämmen und so Landschaft, Biodiversität und Baukultur zu schützen. Wichtig ist jedoch, dass das Parlament nicht mit neuen Lockerungen dieses Stabiliesierungsiel wieder unterläuft.
Die Umweltkommission des Nationalrates (UREK-N) hat die Vorlage zur Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG2, Geschäft 18.077) gegenüber der vorangehenden Version des Ständerates in verschiedenen Bereichen geschärft, ergänzt und klarer gefasst. Folgende Elemente sind zentral, damit der Grundsatz der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet im RPG wieder gestärkt wird:
- Die Stabilisierungsziele: für die Zahl der Gebäude im Nichtbaugebiet und für die versiegelte Fläche ausserhalb der Bauzone;
- die Umsetzung dieser Ziele über die kantonalen Richtpläne;
- Abbruchprämien als Anreiz für den Abriss nicht mehr benötigter Gebäude
- klare Fristen und Regeln, falls die Ziele nicht erreicht werden.
- die Weiterführung der beim RPG 1 (erste Revision der Raumplanungsgesetzt) beschlossenen Regeln zum Mehrwertausgleich.
- Klarere und engere Regeln für den Gebietsansatz des Bauens im Nichtbaugebiet mit Kompensation- und Aufwertungsmassnahmen erlaubt
Der Trägerverein der Landschaftsinitiative beurteilt die Vorlage insgesamt als deutliche Verbesserung. Die gesamte Vorlage kann aber nur als akzeptabler Kompromiss und guter indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative gelten, wenn diese Fassung der Mehrheit der Umweltkommission des Nationalrats im Wesentlichen bestätigt wird und sich nicht die zahlreichen Minderheitsanträge durchsetzen, die wieder mehr Ausnahmen fürs Bauen ausserhalb der Bauzonen erwirken wollen. Danach ist ein Entgegenkommen des Ständerats auf die Linie von UREK-N und UREK-S nötig. Besonders stossend ist zudem ein knapper Mehrheitsentscheid der Kommission UREK-N (Stickentscheid), der erlauben würde, an Bauernhäuser angebaute Ställe und Scheunen vollständig in neuen Wohnraum umzuwandeln und damit quasi Mehrfamilienhäuser im Kulturland, statt in der Bauzone zu errichten.
Zentraler Mechanismus: Doppeltes Stabilisierungsziel, Umsetzung über die Richtplanung, Übergangsfrist, Monitoring durch den Bund
Die UREK-N hat das vom Ständerat formulierten Stabilisierungsziele betreffend einerseits die Anzahl Gebäude und andererseits die Bodenversieglung ausserhalb der Bauzonen bestätigt. Die Umsetzung soll über die kantonalen Richtpläne und im Rahmen einer kantonalen Gesamtkonzeption erfolgen. Für die Richtplanänderung zur Erreichung der Ziele wird eine Übergangsfrist gesetzt, nach deren Ablauf jedes weitere Gebäude kompensationspflichtig wird. Zur Überprüfung der Stabilisierungsziele soll der Bund die Datenerhebung übernehmen. Damit werden die Kantone entlastet und die Daten der Raumbeobachtung sind schweizweit vergleichbar.
Dem Stabilisierungsziel würden allerdings zahlreiche zusätzliche Baumöglichkeiten zuwiderlaufen, welche durch Minderheiten der UREK-N gefordert werden. Es ist zu hoffen, dass diese Anträge, welche einer völligen Überregulierung gleichkommen und zudem mit sehr dehnbaren Begrifflichkeiten operieren, sich im Nationalrat nicht durchsetzen werden.
Gebietsansatz auf das Berggebiet beschränkt
Gemäss dem sogenannten “Gebietsansatz” sollen die Kantone unter bestimmten Bedingungen Sondernutzungszonen bezeichnen können, in denen im Nichtbaugebiet nicht standortgebundene Nutzungen zugelassen sind. Damit droht die Gefahr, dass ausserhalb der Bauzonen eigentliche Spezial-Bauzonen geschaffen werden können, welche dem Trennungsgrundsatz klar zuwiderlaufen. Gemäss dem Mehrheitsvorschlag der UREK-N soll diese Möglichkeit immerhin auf das Berggebiet beschränkt werden. Ausserdem soll der Siedlungsstruktur, der Baukultur, der Umgebungsgestaltung, der Einpassung in die Landschaft und dem Erhalt der Biodiversität und des Kulturlandes Rechnung getragen werden müssen, und es sind in den meisten Fällen Kompensations- und Aufwertungsmassnahmen gefordert.
Erfreulicherweise hat die UREK-N eine weitere dem Trennungsgrundsatz zuwiderlaufende Bestimmung wieder gestrichen: Der Ständerat hatte vorgesehen, dass die Kantone Gebiete bestimmen können, in welchen die Umnutzung nicht mehr benötigter landwirtschaftlicher Bauten zu Wohnzwecken erlaubt wäre. Es ist für die Landschaftsinitiative absolut zentral, dass es bei der Streichung dieser Bestimmung bleibt.
Ökonomiegebäude nicht zu Mehrfamilienhäusern umbauen!
Als sehr problematisch beurteilt die Landschaftsinitiative einen von der Kommission knapp genehmigten neuen Antrag, der dem Trennungsgrundsatz grundlegend widerspricht: Demnach soll bei altrechtlichen Bauernhäusern ausserhalb der Bauzone das gesamte Volumen angebauter Ökonomiegebäude in Wohnungen umgenutzt werden können. Aus grossen Ställen und Scheunen könnten so mehrere neue Wohnungen entstehen. Das wäre ein deutlicher Rückschritt gegenüber der geltenden Regel: Zonenfremde Bauten sind bisher nur zulässig, wenn die Gebäude ihren ursprünglichen Charakter behalten. Dieser darf nur verändert werden, wenn es zugunsten energetischer Sanierungen oder moderner Wohnbedürfnisse notwendig ist. Die Umnutzung von Anbauten zu Mehrfamilienhäusern würde das Erscheinungsbild von Einzelhöfen und ihrer Umgebung vollständig verändern
Dieser Kommissionsentscheid trübt das ansonsten eher positive Gesamtbild der UREK-N-Fassung, und die Landschaftsinitiative zählt auf den Nationalrat, um dies zu korrigieren.
Abbruchprämie als Anreiz
Damit die Stabilisierungsziele erreicht werden können, wird als finanzieller Anreiz für die Beseitigung nicht mehr benötigter Gebäude eine Abbruchprämie eingeführt. Abbruchprämien sollen aber – wie es die Kommissionsmehrheit richtigerweise fordert – nur für legal erstellte Bauten ausgerichtet werden, und nur dann, wenn kein Ersatzneubau errichtet wird. Finanziert werden soll sie aus dem Mehrwertausgleich sowie aus Kantons- und Bundesbeiträgen. Letzteres ist zu begrüssen, denn nur so haben jene Kantone ein brauchbares finanzielles Instrument, die wenig Einnahmen aus dem Mehrwertausgleich haben, weil sie kaum noch Einzonungen vornehmen können. Entsprechend problematisch wäre, wenn sich hier die Minderheit durchsetzen würde.
Fazit
Grundsätzlich geht der Vorschlag der Teilrevision der UREK-N in eine gute Richtung. Einige Verbesserungen haben allerdings nur knappe Mehrheiten gefunden und einzelne Minderheitsanträge gefährden den Schutz von Natur, Landschaft und Kulturland im Nichtbaugebiet.
Mehr Info: